Gedanken zum Blog
Erinnert sich noch jemand an das Spiel Therapy? Die erste Edition erschien im Jahr 1988, gespielt habe ich es selbst Mitte der 90er. Neben der Interpretation von Tintenklecksen und der Beantwortung von Wissensfragen ging es hauptsächlich darum, sich selbst oder die Mitspieler zu bestimmten Fragen möglichst treffend einzuschätzen. In einer dieser wenigen Therapy-Runden - niemand in meinem Freundeskreis wollte dieses Spiel gern spielen - kam die Frage auf, wer in der Runde heimlich ein Buch schreibe. Ich fühlte mich ertappt, hatte ich doch angefangen in Steven-King-Manier ein „Buch“ zu schreiben, denn ich war damals ein großer Fan. Zu meiner Überraschung outete sich auch meine beste Freundin mit der Antwort, auch sie schreibe ein Buch. Wir waren beide von dem jeweils anderen überrascht. Briefe schreiben, ja das taten wir damals, Unzählige. Aber Bücher?
Ich kann mich nicht erinnern, ihren Text oder ihr Buch gelesen zu haben. Umgekehrt habe ich auch meinen, rückblickend naiven und unreifen Versuch einen Roman zu schreiben, mit niemandem geteilt. Allerdings habe ich auch nie wieder einen Versuch in diese Richtung unternommen. Silke meines Wissens auch nicht.
Die Briefe, die wir zu Schulzeiten hin- und her geschrieben haben, stets nach dem gleichen Muster sorgsam gefaltet, haben unabhängig voneinander die Zeit überdauert. Silke hat meine und natürlich noch den ein oder anderen Liebesbrief eines Verflossenen in einem Joy-Stick-Karton und einem Schuhkarton gehütet und ich ihre und andere in einem kleinen roten Koffer. Wir haben es an dem Abend neulich nicht geschafft, alle durchzusehen, aber wir haben viel und herzlich gelacht. Über die Prozentlisten, die wir insgeheim unseren aktuellen Schwärmen gegeben haben, Zitat Silke „ich bin verliebt, aber ich weiß nicht in wen?“, über die Fragebögen, die wir ihnen mitgegeben hatten. Peinlich im Nachhinein und verwunderlich, dass wir die Fragebögen ausgefüllt zurück erhielten. Nicht zu vergessen unsere Geheimsprache, die sich heute nicht mehr vollständig erschließt bzw. in manchen Briefen gar nicht so geheim ist. “Schlar schabe schich scheinen Schuß bekommen. Schüß!” Diesen Brief hatte ich damals durchgängig in dieser “Geheimsprache” verfasst und wir bekamen an dem Abend einen Lachflash als wir Silkes passenden Gegenstück in Händen hielten, in dem sie angemerkt hatte, der Brief sei aber schwer zu lesen.
Silke hatte die Briefe jedoch nicht nur zum Spaß mitgebracht. Wir hatten die Hoffnung, darin ein Thema oder eine Erkenntnis aus unserer Jugend zu finden, über die es sich lohnt, zu berichten. Wir hatten bei unserem letzten Treffen festgestellt, dass jenseits von Arbeit, Haushalt und anderen Verpflichtungen zum einen wenig Zeit für uns selbst bleibt und zum anderen auch wenig Ideen vorhanden sind, was wir denn tun möchten, falls sich doch einmal überraschend freie Zeit ergibt.
Nach einigem Brainstorming, Silke hatte angemerkt, dass sie sich vorstelle ein Buch zum Thema Butterfly-Effect zu schreiben, beschlossen wir eben dies gemeinsam zu tun. Wir sprachen recht grob über die Rahmenhandlung und überlegten gleichzeitig, ob man es in Form eines Blogs direkt im Internet schreiben sollte.
Ich schlief eine Nacht darüber und meldete bereits am nächsten Tag Bedenken an. Möglicherweise ist es etwas ehrgeizig, ein Buch und einen Blog gleichzeitig zu schreiben? Beides ist zeitaufwendig und anspruchsvoll. Wir verwarfen also das Buch zugunsten des Blogs, planten aber weiter mit dem Namen „butterfly-effect“ zu arbeiten. Dankenswerterweise übernahm Silke die technische Einrichtung unseres Blogs. Bereits die Namensfindung war schwieriger als gedacht, denn der gewünschte Name ist bereits mit unzähligen google-Treffern gesegnet und sämtliche Domains mit diesem und ähnlichen Namen sind bereits vergeben. Schlussendlich einigten wir uns auf „manychoices.de“. Offen genug für verschiedenste Beiträge und Geschichten, die wir mit anderen teilen wollen. Wer die anderen sind, ob sich überhaupt jemand auf unseren Blog verirrt und wen wir ansprechen werden ist Stand heute unklar, aber wir sind entschlossen, hier ein Jahr lang Beiträge einzustellen.