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Sardinien im Oktober

„Schreib doch etwas über Sardinien, Du bist doch jetzt Experte“, sagt Silke zu mir, als ich sie nach Ideen für mein neues Blog-Thema frage. Als Experte sehe ich mich jetzt nicht, obwohl ich mittlerweile schon 3 Mal dort war, aber ich kann von Sardinien im Oktober berichten.

Mein erstes Mal

Ich lernte den nördlichen Teil der schönen Insel kennen, als ich mich im Oktober 2014 für eine Sun-Wave Singlereise entschied. Das Programm war sehr abwechslungsreich und wir haben viel von der Umgebung gesehen. Es würde den Rahmen sprengen, hier alles aufzulisten.

Wir waren in Porto Cervo, Stadt des Jet-Sets und der Luxus-Jachten. Wobei es sich hier im Oktober auf eine einzelne russische mega Jacht beschränkte und die Zeit der Promis auch schon vorbei war, es war angenehm leer in den Straßen. Wir setzten mit der Fähre nach Korsika, Bonifacio über. Bonifacio ist als Stadt auf dem Berg sehenswert, vor allem aber empfehle ich einen Spaziergang über den alten Friedhof, mit Meerblick. Das Highlight der Reise war ein Segel-Ausflug zum Archipel der Maddalena-Inseln. Hier habe ich verstanden, warum Sardinien die Karibik des Mittelmeers genannt wird. Türkisblaues Wasser, weiße Strände und Sonne. Ich habe auf dieser Reise keinen Partner gefunden, mich aber heiß und innig in Sardinien verliebt.

Wiederholungstäter

Im Oktober 2018 reiste mein Freund Ole für drei Wochen mit seinem Vater nach Kanada und ich brauchte dringend ein Gegenprogramm sowie die Möglichkeit, vor dem Winter noch Sonne zu tanken. Mein Bruder Alex war schnell zu Sardinien überredet und wir entschieden uns für den Nord-Westen der Insel, Costa Paradiso. Was ein vielversprechender Name für einen Urlaubsort!

Wie erhofft hatten wir im Oktober Strandwetter und gingen im Meer baden. Dank unserer Suche nach zwei Geocaches sahen wir zwei ganz besondere Orte. Der eine führte uns zu einer Stelle am Meer, wo die Wogen mit Wucht auf eine Felsformation trafen. Ein sehr beeindruckendes Schauspiel. Auf dem Weg zum zweiten Cache gingen wir an einer abgelegen Felsbucht vorbei, wo das Wasser derart klar war, dass wir unsere Suche nach dem Cache kurzerhand abgebrochen haben und den Tag in der Bucht verbrachten.

Ein besonderes Erlebnis hatten wir eines Abends im Hotel. Wir saßen beim Abendessen auf der Terrasse mit Blick aufs Meer, als ein großes Tier wie selbstverständlich zwischen den Tischen umherlief. Im ersten Moment dachte ich, es sei ein Hund, stellte dann aber überrascht fest, dass es ein Wildschwein war. Das Wildschwein wurde zum Shooting-Star des Abends, denn die übrigen Gäste waren genauso erfreut und angetan wie wir von dem besonderen Gast.

Freudiges Wiedersehen

Der deutsche Sommer 2021 hat mich persönlich enttäuscht und so war mein Bedürfnis nach Wärme und Sonne Ende September noch sehr groß. Ich versprach Ole sommerliche Temperaturen, traumhafte Strände und ein Bad im Meer auf Sardinien, was sich als ausreichend herausstellte, um ihn zum Buchen zu bewegen.

Der Flug von knapp zwei Stunden ist auch mit Maske gut zu überstehen. Wer wie ich den Pin seiner Kreditkarte nicht mehr kennt, sollte bei Mida-Rent nach einem Mietwagen fragen. Ohne Mida-Rent wären wir am Flughafen von Olbia gestrandet. Dort aber wurde auch eine Zahlung per Bankkarte akzeptiert und so konnten wir mit unserem gemieteten Clio unseren Urlaubsort, Cala Gonone, erreichen. Im Hafen des Örtchens wurden gleich mehrere Traumstrände angepriesen, die meisten nur per Boot zu erreichen.

Unseren ersten Tag verbrachten wir bei 26 Grad an der Cala Fuili. Wir konnten mit dem Auto recht nah heran fahren, auf der Bergstraße parken und mussten dann noch ca. 100 Stufen in die Bucht hinabsteigen. Der Strand bestand aus großen weißen Kieselsteinen und war nur mäßig besucht. Wir hatten viel Spaß in den doch recht hohen und sehr kraftvollen Wellen. Die Cala Luna wiederum erreicht man nur per Boot oder durch eine zweistündige Wanderung. An einem anderen Tag gingen wir zum Hafen, um ein Schlauchboot mit Motor (führerscheinfrei) auszuleihen. Zu meiner großen Enttäuschung bekamen wir mit dem Hinweis auf die hohen Wellen, die in Kürze erwartet wurden, aber leider kein Boot.

Cala Luna

Es gibt im Netz eine sehr zutreffende Beschreibung der Wanderung zur Cala Luna. Neben festem Schuhwerk, der Mitnahme ausreichender Getränke wird eine gute Kondition angeraten. Da ich den Strand nun unbedingt sehen wollte, fuhren wir zur Cala Fuili, gingen die 100 Stufen hinab, um auf der anderen Seite der Schlucht gleich wieder den Berg hoch zu kraxeln. Noch nicht ganz oben angekommen war ich bereits außer Atem und am Schwitzen. Es gab mal Stufen, mal Felsen, mal Baumwurzeln und ich war froh über meine Wanderschuhe. Der Weg von Strand zu Strand ist eigentlich nur knapp 6 km, aber es geht lustig bergauf und ab, der Weg ist oft felsig und an einer Stelle sind die Felsen sogar selbst der Weg. Freundlicherweise hat dort jemand Eisengriffe zum Festhalten montiert. Trotz aller Anstrengung war es eine schöne Wanderung, mit großartigen Ausblicken auf die Küste und den angepriesenen Strand, unter alten Olivenbäumen hindurch und mit freundlichen Menschen, nahezu alle am Keuchen und Schwitzen. Wir machten immer wieder kurze Trinkpausen und erreichten die Cala Luna nach knapp drei Stunden, erschöpft, aber glücklich und belohnt von einem hinreißendem Anblick.

Kurze Zeit später wurde es wolkig und sehr windig, so dass an ein Bad nicht zu denken war. Leider fuhr aufgrund der stürmischen See kein Boot zurück und mir wurde klar, dass wir den ganzen beschwerlichen Weg auch wieder zurück mussten. Glücklicherweise war der Rückweg weit weniger anstrengend- nach ca. zwei Stunden waren wir wieder zurück und hatten nur noch die 100 Stufen nach oben vor uns.

Abseits der Strände

Neben seinen wunderschönen Kiesel-, Fels-, Sand-, Quarz Stränden hat Sardinien aber noch viel mehr zu bieten. Wir besuchten das Dorf Orgosolo im Zentrum des zerklüfteten Supramonte-Gebirges, welches bekannt ist für seine über 150 Murales. Diese Bilder sind direkt auf die Hauswände gemalt, viele erinnern an den Stil Picassos und haben zumeist eine politische oder gesellschaftskritische Note. Das von Kugeln durchlöcherte Ortseingangsschild ist wie gemacht für das Banditendorf, wie Orgosolo einst von den Carbinieri genannt wurde.

Auf unserem Weg nach Santa Maria Navarrese, südlich von Cala Gonone war der Weg das Ziel. 60 Kilometer Bergstraße mit unglaublich schönen Panoramen über die Landschaft, eine Kurve nach der anderen. Zum Glück ist im Oktober auf der Insel Nachsaison, die Straßen daher leer. Während sich Ole wie ein Rallyefahrer fühlte, bewunderte ich die eindrucksvolle Berglandschaft. Immer mal wieder stand plötzlich eine Kuh am Straßenrand oder eine Ziegengang rannte mit ihren großen Gocken um den Hals lärmend über die Straße. Sogar ein Wildschwein haben wir gesehen. Es war eine abwechslungsreiche Fahrt mit weiter Aussicht auf die Berge.

Nuraghe Mannu – Agriturismo

An unserem letzten Abend folgten wir der Empfehlung aus dem Netz in einem der sog. Agriturismo Gasthöfen ein typisch sardisches Essen zu probieren. Hier ist das Menü fest und der Preis ebenfalls. In unserem Fall 28 Euro pro Person. Wir waren pünktlich am Tisch, um 20:00 Uhr sollte das Menü starten. Zunächst bekamen wir eine Flasche Rotwein aus eigenem Anbau, zwei Liter Wasser und Brot. Der erste Gang hat mir sehr zugesagt, eine Auswahl luftgetrockneter Schinken und Salami, dazu ein Stück Pecorino Käse. Kurze Zeit später kamen die Kellner mit Gemüseplatten. Das Gemüse war zu meiner Überraschung kalt und noch dazu in Essig o.ä. eingelegt. Nach einer üppigen Portion Gnocchi in Tomatensoße kam ein Gang mit Fleisch und Kartoffeln, allerdings war uns nicht ganz klar, um welches Fleisch es sich hier handelte. Dass es sich um Kutteln handelte, habe ich zum Glück erst später herausgefunden! Die Kellner kamen mit immer weiteren Platten und servierten uns geschmorten Hammel, einen Salatteller und geschmortes Schweinefleisch. Als Dessert gab es eine mit süßlicher Creme gefüllte Blätterteigtasche sowie einen Teller mit Obst. Auf Wunsch konnte man einen Espresso haben und zum guten Schluss tranken wir noch einen Mirto, einen aus Pflanzenteilen der Myrte gewonnenen Likör als Absacker. Ich kann die Empfehlung nur weitergeben! Auch wenn mir nicht alles geschmeckt hat, war es ein tolles Erlebnis zu einem super Preis. Oft kann man in den vielen Agriturismo-Höfen auch günstig übernachten und spannende Einblicke in die Nuraghenkultur gewinnen.

Fazit

Wer Anfang Oktober nach einem vielseitigen Reiseziel mit Sommerfeeling sucht, ist auf Sardinien goldrichtig. Reisende mit Wohnmobil, Radfahrer, Kletterer, Wanderer, Motorradfahrer und Standurlauber werden hier auf ihre Kosten kommen. Vieles, das in der Hauptsaison richtig teuer ist, wird in der Nachsaison erschwinglich. Obwohl es noch immer Touristen auf der Insel gibt, sind die Strände und Straßen angenehm leer. Einige Lokale und auch Agriturismo-Höfe haben bereits geschlossen oder sind im Begriff, dies zu tun, aber man findet noch genügend offene Lokalitäten. Die Lufttemperatur ist noch angenehm warm. Bislang hatte ich in drei verschiedenen Jahren das Glück, sogar noch im Meer schwimmen gehen zu können und wie gewünscht das Sommerfeeling kurz aufleben zu lassen.

Ein Experte bin ich auch nach drei Reisen nicht, denn die Insel ist groß, daher empfehle ich ein Auto zu mieten, um möglichst viel von der Insel erkunden zu können. Auch kann es sinnvoll sein, bei schlechtem Wetter im Osten einfach mal auf die Westseite der Insel zu fahren oder umgekehrt. Ich bin und bleibe ein großer Fan und werde beizeiten zurückkehren und mir den Süden der Insel, sowie die Städte Cagliari und Alghero anschauen und auch ganz sicher der Versuchung nicht widerstehen können, den Maddalena-Inseln einen weiteren Besuch abzustatten.