Sprache im Unternehmen
Eine gemeinsame Sprache als Basis ist notwendig für eine effektive Zusammenarbeit
Nach dem letzten Blogbeitrag habe ich mich mit meiner Frau lange über den Begriff Purpose ausgetauscht. Dieser ist aus dem Englischen nicht 1:1 ins Deutsche zu übersetzen und wir haben festgestellt, dass wir unterschiedliche Interpretationen für Purpose haben. Mir ist dadurch wieder bewusst geworden, wie wichtig eine gemeinsame Sprachkultur ist. Ein gleiches Verständnis untereinander ist gerade in Unternehmen wichtig, um den Interpretationsspielraum gering zu halten.
Dieser Blogbeitrag ist ein kleiner Impuls meinerseits. So, wie es immer unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt und geben muss, erhebt dieser Blogbeitrag keinen Anspruch auf Richtigkeit. Weder bin ich Sprachwissenschaftler, noch Historiker oder Philosoph. Ich mache Vertrieb – und ich liebe es. Wenn ich zur persönlichen Awareness eines Einzelnen anregen kann, ist meine eigene Erwartungshaltung deutlich erfüllt.
Sprache im Wandel
Aber kommen wir erst einmal zu den Basics: Was ist denn eigentlich Sprache? Ganz simpel formuliert: Codes zwischen Menschen, die einer gewissen Logik folgen und eine seit Kindertagen erlernte Form von „einzelnes Wort ist gleich Gegenstand oder Handlung“ darstellen. Das können auch Handzeichen wie bei den Straßengangs L.A.s sein - auch eine Art von Sprache. Es gibt zig wissenschaftlich beleuchtete Kommunikationsmodelle (Friedmann Schulz von Thun, Marshall B. Rosenberg & Co.). Allen gemeinsam ist eine Gesellschaft oder Gruppe von Sendern und Empfängern, die möglichst friedlich und effektiv miteinander umgehen wollen.
Humboldt’sche Bildungsideale: Sprache beeinflusst das Denken
Sprache verändert sich, beeinflusst uns und wir beeinflussen die Sprache
Sprache ist wirkmächtig, sie kann Menschen einnehmen oder ausgrenzen oder für Missverständnisse sorgen
Sprache stellt die DNA eines Unternehmens dar, konkrete Inhalte sollten für jeden Einzelnen ableitbar sein
Und Gesellschaft kann und muss sich wandeln. So verändert sich auch die Sprache. Wir würden keinen Deutschen des Mittelalters mehr verstehen. Und die Japaner haben ihren Tenno (japanischer Kaiser) in seiner Rundfunkansprache zum Ende des 2. Weltkrieges nicht richtig oder nur sehr schwer verstanden, weil seine höfische Ausdruckssprache innerhalb seines Segmentes „Palast“ von der überwiegenden Mehrheit der Japaner schon lange nicht mehr praktiziert wurde.
Ebenso kann ich auch das Latein am römischen Kaiserhof gegen Ende des vierten Jahrhunderts als Beispiel anbringen – das unterschied sich deutlich vom sich immer stärker abkoppelnden Vulgärlatein. Sprache fließt also.
Ich kann es aber auch etwas praktischer und zeitnaher formulieren: Manchmal habe ich das sehr starke Gefühl, dass ich meine Töchter nicht verstehe. Und das beruht bestimmt auf mehr oder weniger deutlich unausgesprochener Gegenseitigkeit.
Sprache wandelt sich und wir müssen mit der Zeit gehen, um uns gegenseitig zu verstehen.
Sprachlicher Wandel heute
Schön finde ich allerdings, dass Worte aus der Vergangenheit und anderen Kulturräumen ihren Weg in die Neuzeit gefunden haben. Wer wusste, dass unsere „Themen“ früher einmal die Bezeichnung für Militärbezirke in der Spätantike waren? Und die Münze „Solidos“ war sozusagen bis zum 14. Jahrhundert der Dollar der Vergangenheit. Solide und wertbeständig eben.
Eine Veränderung der Sprache erleben wir also tagtäglich. „Krass“, „mega“ etc. klingt für Elternohren schlimm. Mitleid haben wir als Generation aber auch nicht mit den „gediegenen“ Managern der 80er und 90er gehabt. Diese mussten auf einmal mit „Business Plänen“ hantieren, „To Dos“ erfüllen und das aufkeimende Denglish ertragen.
Sprache ist wirkmächtig
Sprache ist mächtig und dessen müssen wir uns bewusst sein. Ein gefälliges Beispiel: Cicero kennen wir eher als Philosophen und Redner (und als Magazin der SZ vielleicht), aber wir vergessen auch, dass er Politiker im alten Rom der Vorkaiserzeit war und fleißig durch seine Worte Ränkespiele gestartet hat. Ein Politiker durch und durch, der als Ich-AG ohne Parteiensupport tagtäglich Mehrheiten in seinen Zielkundensegmenten organisieren musste. Und das nur mit seinen (teilweise verletzend punktierten) Worten und im Gegensatz zu seinen Konkurrenten wie Cäsar oder Pompeius kam er ohne das Kundenbindungsinstrumentarium Schlägertrupp aus. Er hat mit seinen Worten so viel erreicht, dass Fulvia als Ehefrau von Marcus Antonius nach Ciceros gewaltsamen Ende aus Rache seine Zunge mit einer Haarnadel am Forum Romanum aufspießen ließ.
Sprache kann auch gefährlich und eine Waffe in der Hand von Demagogen sein. Die Nazis haben Begriffe wir „ausmerzen“ für sich eingenommen und für Ihre Verbrechen genutzt.
Deswegen sehe ich als demokratisch geprägter Mensch die Gendersprache durchaus auch kritisch. Inkludierend soll sie gerne sein, aber nicht durch Zwang Teile der Bevölkerung ausschließen. Mitnehmen passt besser zu unserer Gesellschaft.
Sprache im Unternehmen
Nach dieser Einführung - was bedeutet Sprache nun für die Zusammengehörigkeit von Mitarbeitern eines Unternehmens?
Jedes Unternehmen hat eine eigene Sprach-DNA. Zum ersten Mal wurde ich als junger Berater von meinem damaligen Manager darauf aufmerksam gemacht. Er hat das Wort „verproben“ als das am häufigsten genutzte Wort bei einem süddeutschen Maschinen- und Anlagenbauer ausgemacht. Und es machte Sinn, was er sagte. Die DNA dieses Unternehmens ist (es existiert immer noch sehr erfolgreich) Forschung und Entwicklung. Und „verproben“ von Alternativen / Trial & Error / agiles Arbeiten an einem Hypothesen-Rohling (Minimum Viable Pruduct) passt zu diesem Geschäftsmodell hervorragend.
Als ich vor einem Jahrzehnt zu meinem heutigen Arbeitgeber kam, fand ich den Satz „so machen wir das“ faszinierend. Er drückt viel aus: Konsens, aber auch wir machen jetzt nur das und nichts anderes, weil wir uns sonst „verzetteln“.
Humboldt hat inhaltlich gesagt, dass Sprache das Denken beeinflusst. Und Recht hat er. So finde ich den Begriff „Verbleib“ viel besser geeignet als „To Do“. To Dos sind (manchmal erzwungenene) Hausaufgaben und Verbleib beschreibt darüber hinaus einen gemeinsamen Konsens.
Sprache beschreibt in einem Unternehmen den Code des Handelns. Wichtig ist dabei, wenige verständliche und präzise Worte als Gerüst zu „bauen“. Die in Wort oder Schrift übertragenen Handlungsanweisungen müssen für jeden auf allen Ebenen verständlich sein. Und dabei ist weniger tatsächlich mehr, weil wir uns so den Interpretationsspielraum sparen und eher Sachdiskussionen miteinander führen können auf einer gemeinsamen Sprachbasis.
Wir müssen dabei immer bedenken, dass unsere Sprache und speziell der Code der Führungskräfte in jedem Unternehmen einen rollierenden Strategieentwicklungsprozess abbilden muss. Und der erste Schritt ist immer das Setzen der berühmten „Leitplanken“, ein gemeinsames Rollenverständnis, Transparenz zur Ist-Situation schaffen, Handlungsmaßnahmen zur Soll-Situation ableiten etc. Durch Wiederholen weniger Kernformulierungen können nahezu alle mitgenommen werden. Das ist die Pflicht in der Unternehmenskommunikation. Die Kür ist, nicht nur zu Verkünden, sondern echten Mehrwert durch die Berücksichtigung anderer Perspektiven zu erlangen. Dies kann durch gezielte Fragen an die Mitarbeiter (W-Fragen, aber auch „Die Kunst des klugen Fragens“ von Warren Berger als Empfehlung) erreicht werden. Dieser Moderations- und Abwägungsprozess verlangt allen im Unternehmen Disziplin und Sachlichkeit ab. Nicht nur in der Kommunikation, aber eine offene wertschätzende Sprache stütz diesen Prozess.
Sprache zum Transport von Inhalten
Der Inhalt darf dabei nicht fehlen – die präzise Sprache kann nur unterstützen. Negatives Beispiel ist in dem Kontext das allseits beliebte Bullshit-Bingo, was jeder von uns ehrlicherweise kennt (und vielleicht sogar manchmal in einem langen Meeting im Kopf durchspielt).
Ohne Inhalt ist sprichwörtlich alles verloren, denn nur „zwischen den Zeilen zu lesen“ ist ermüdend. Sprache ist somit auch Ordnungssprache für jeden Mitarbeiter. Und die Sprache darf dabei nie manipulierend sein. „Sagen, was ist“ hat Rudolf Augstein als eine Leitplanke für den Spiegel Verlag herausgegeben.
Und gleichwohl muss sich auch jeder selbst vor Manipulationsversuchen schützen. Dazu sei hier nur am Rande das interessante Buch eines „Hellsehers“ empfohlen, der aufzeigt, wie durch gezielte Fragen nicht nur ein Gespräch geführt, sondern Worte gezielt eingesetzt werden können: Timon Krause mit „Kennen wir uns“*.
Ziel von Sprache im Unternehmen
Im Unternehmen müssen wir mehr Churchill sein, der im Schnitt „nur“ ein paar hundert Worte in seinen Reden nutzte und dadurch auf ein gemeinsames klares Ziel einschwören konnte. Und weniger Shakespeare, der tausende Worte für seine Dramen ständig im Genbrauch hatte und Spannung durch Wortbilder erzeugte.
Deutschland ist das Land der Dichter und Denker, aber auch der Ingenieure. Und wenn man genau hinschaut, haben diese beiden Gruppen sehr viel miteinander zu tun: Klare Strukturierung des Denkens und der Sprache sind erforderlich.
Das Warum des Unternehmens und die Ableitung für jeden einzelnen muss mit verständlichem Inhalt für alle Ebenen eines Unternehmens gefüllt werden. Und so schließt sich für mich der Kreis zum Ausgangspunkt dieses Blogbeitrags: Der Purpose des Unternehmens darf nicht nur leere Worthülse oder Modewort sein.
Aber das ist das Schöne an Sprache: Jeder entwickelt erst einmal seine persönliche Perspektive bevor etwas Gemeinschaftsgut wird. Many Choices eben…
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